Interview mit Grundschulleiterin Susanne Knittel
Seit Schuljahrsbeginn hat Urspring wieder eine Grundschule. Insgesamt 16 Kinder, sechs Mädchen und zehn Jungen, besuchen die Klassen 3 (fünf Kinder) und 4 (elf Kinder). Geleitet wird die Grundschule von Susanne Knittel, ausgebildete Grundschullehrerin mit Montessori-Diplom, Lerntherapeutin für Dyskalkulie, Legasthenie und ADHS. Gemeinsam mit Martin Witzel betreut sie außerdem das Mentorat Alte Mühle. Die neue Grundschulleiterin ist zugleich die alte: Bereits von 2007 bis 2013 war Susanne Knittel in dieser Funktion in Urspring tätig. In dieser Zeit war sie Legasthenie-Beauftragte und unterrichtete Kunst am Gymnasium bis Klasse 9.
Warum hat sie Urspring damals verlassen, wollen wir wissen. „Der Grund war die damalige Leiterin“, erklärt sie unverblümt. Diese hielt eine Grundschule, die nur die Klassen 3 und 4 umfasst, offenbar für ,verzichtbar‘.“
Der Weggang von Urspring wurde Susanne Knittel durch ein Angebot des Landheims Schondorf am Ammersee erleichtert. „Dort suchte man eine bayerisch ausgebildete Grundschullehrerin mit Erfahrung“, berichtet die gebürtige Fränkin. „Das war ein tolles Angebot, ich war Mentorin für sechs Mädchen der Oberstufe und habe die Grundschule geleitet. Als ich kam, bestand die Grundschule gerade mal seit einem Jahr und umfasste nur die Klassen 3 und 4 mit sieben Kindern. Als ich ging, hatten wir 37 Kinder in den Klassen 1 bis 4 und die staatliche Anerkennung. Die haben wir bereits nach dem zweiten Jahr meiner Tätigkeit erhalten.“
Dass sie trotz ihrer erfolgreichen Arbeit am Ammersee nach Urspring zurückgekehrt ist, ist nicht zuletzt auch der Hartnäckigkeit von Schulleiter Dr. Rainer Wetzler und Wirtschaftsleiter Hans-Martin Meth geschuldet. „Das war von den beiden ganz raffiniert geplant“, sagt Susanne Knittel und schmunzelt dabei. „Sie sind mit ihrem Plan an die Presse gegangen. Ein Zeitungsartikel berichtete dann, dass die Grundschule wiedereröffnet werde und dass ich zurückkomme, um sie zu leiten. Wir hatten dann bereits nach kurzer Zeit 14 Anmeldungen, nach Schulbeginn kamen nochmal zwei dazu. Damit sind wir (bei maximal 18 Kindern) so gut wie voll. “ Bevor sie nach Urspring kamen, haben die Kinder die unterschiedlichsten Schulen besucht: in Allmendingen, Ulm, Neu-Ulm, Schelklingen, Blaubeuren, Laichingen, Bernstadt. „Ein Schüler kommt sogar aus Pfaffenhofen bei München. Der ist allerdings intern“, berichtet Susanne Knittel.
„… die Kinder in diesem Ferienlager sind echt nett“
Wie seinerzeit besteht die Grundschule in Urspring auch aktuell nur aus den Klassen 3 und 4. Der Grund dafür seien mangelnde Räumlichkeiten, aber auch die fehlende staatliche Genehmigung, so die Grundschulleiterin. „Um die Grundschule über alle vier Klassen anbieten zu können, müssten wir im Grunde eine neue Schule hinstellen und die nicht einfachen Hürden der staatlichen Genehmigung nehmen. Das muss man sich wirklich ganz genau überlegen. Nach derzeitigem Stand ist das unrealistisch und strategisch derzeit auch nicht vorgesehen“, erklärt sie.
Die Grundschule ist staatlich anerkannt und arbeitet nach dem Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg, auf der Basis der Montessori-Pädagogik, „die wir angepasst an die Bedürfnisse der Kinder umsetzen“, betont Susanne Knittel.
Die Kinder der beiden Klassen erhalten gemeinsamen Unterricht in den Fächern Deutsch, dem Montessori-Fach kosmische Erziehung (Sachkundeunterricht plus Planeten- und Weltentstehungs-kunde), Kunst, Sport, Freiarbeit, Förderunterricht und besuchen gemeinsam die Lesestunde, geteilt ist der Unterricht in den Fächern Englisch und Mathematik.
Welche Ziele hat sich die neue alte Leiterin der Grundschule für Ihre Arbeit in Urspring gesteckt? „Mein primäres Ziel, die Grundschule wieder aufzubauen, hat sich schneller als gedacht erfüllt“, sagt Susanne Knittel. Ein weiteres Ziel sei es, „uns noch individueller auf die Kinder einzustellen. Mir ist es wichtig, dass die Kinder gern in die Schule gehen und wieder gerne lernen, da auch viele Kinder dabei sind, die schulisch laut ihren Eltern schlechte Erfahrungen gemacht haben und sogar Angst vor der Schule hatten, bevor sie zu uns kamen. “
„Mein Sohn hat mich nach drei Tagen angerufen und gesagt: ,Mama, ich bin zum ersten Mal glücklich in der Schule!‘“, zitiert Susanne Knittel eine Eltern-Stimme vom ersten Elternabend der Grundschule. Lächelnd ergänzt sie: „Unser Jüngster, er ist gerade acht Jahre alt, hat seiner Mutter gesagt: „,Also Mama, die Kinder in diesem Ferienlager sind echt nett.‘“
Laut Susanne Knittel verlief der Start ins Schuljahr sehr harmonisch: „In der ersten Schulwoche, der Einführungswoche, haben wir zusammen ein Projekt mit Filmen gemacht, Thema: ,Der Igel‘ ‒ ein soziales Lernen in Gruppen. Wir haben in Gruppenarbeit Igelheime gebaut; die Kinder mussten gemeinsam planen, das benötigte Material organisieren und sich untereinander das Werkzeug teilen. Im Ergebnis sind die beiden Klassen zusammengewachsen.“ Beim eigentlichen Schulbeginn in der zweiten Woche sei dann kein einziges böses Wort gefallen.
Übergang ins Gymnasium
Eine Herausforderung für jede Grundschule ist der Übergang ins Gymnasium. „Wir wollen einen kindergerechten Übergang schaffen, indem wir in den Fächern Musik, Mathe und Englisch Gymnasiallehrer in die Grundschule geholt haben, die hier auch unterrichten“, erläutert Susanne Knittel, „so wie ich auch in der gymnasialen Unterstufe die Förderung bei Legsthenie mache. So lernen die Kinder frühzeitig Lehrer kennen, die am Gymnasium unterrichten; und durch diese enge Verzahnung wissen die Lehrer im Gymnasium, welche Methoden und Lernformen wir in der Grundschule anwenden. Gleichzeitig wissen sie auch, was in der 5. Klasse auf sie zukommt und können die Kinder so angemessen vorbereiten. Unsere Methoden werden von den Kollegen aufgegriffen und gymnasialen Anforderungen gemäß ausgebaut und modifiziert. “
Wie sieht die Grundschulleiterin elektronische Kommunikationsmittel – konkret Smartphones – in Schule und Unterricht? Ist das an der Grundschule auch ein Thema? Die Kinder dürften ihr Handy mitbringen, erklärt sie, „sie brauchen es ja nach der Schule, wenn sie mit Bahn oder Bus nach Hause fahren oder sich von den Eltern abholen lassen.“ Während der Schulzeit sei das Telefonieren aber tabu. Ausnahmen bestätigen die Regel: „Notwendige Anrufe nach Hause sind nach Absprache möglich.“
Auf die Frage, wie es sich anfühle, zurück in Urspring zu sein, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Es fühlt sich an, als wäre ich heimgekommen! Ein gutes Gefühl!“ Und wie hat sich Urspring aus ihrer Sicht verändert?, wollen wir wissen. „Vor allem die Stimmung hat sich verändert“, sagt Susanne Knittel nachdenklich. „Die Atmosphäre ist viel angenehmer als in meinem letzten Urspringer Jahr [2007; die Red.]. Damals war die Stimmung schon sehr gedrückt. Es ist alles offener, liberaler, fröhlicher. Es ist sehr schön, mit allen zusammenzuarbeiten.“
Dass sie sich in Urspring wohlfühlt, hat aber auch private Gründe. Zusammen mit ihrem Lebenspartner Martin Witzel betreut Susanne Knittel das Mentorat Alte Mühle. Das katholisch-evangelische Paar betreut insgesamt 14 Kinder, wobei sie für die sechs Mädchen im Mentorat zuständig sei, sagt sie. Nach Urspring sei sie außerdem nicht alleine, sondern im „Doppelpack“ zurückgekehrt: Susanne Knittels Tochter Katja Stegbauer ist hier seit Schuljahrsbeginn ebenfalls als Mentorin und Lehrerin tätig. Wie kam es dazu?, fragen wir nach. „Katja hatte darüber nachgedacht, was sie studieren möchte“, berichtet Susanne Knittel. „Noch vor Beginn ihres Studiums hat sie ein mehrwöchiges Praktikum in Urspring absolviert und war vollauf begeistert. In diesem Frühjahr hat sie in Augsburg ihr Referendariat als Realschullehrerin abgeschlossen und sich dann überlegt, eine Alternative zum Staatsdienst auszuprobieren. In der Kombination Lehrerin/Mentorin hat sie eine interessante Möglichkeit gesehen, pädagogische und erzieherische Aufgaben miteinander zu verbinden.“ Susanne Knittel lacht – und ergänzt: Und sie ist in der Nähe der Mama, was auch die Mama glücklich macht!“
Es ist wahrhaft ein Segen, einer dieser 14 Kinder des katholisch-evangelischen Duetts, der Lebenspartner Martin Witzel und Susanne Knittel, sein zu dürfen. Ich hoffe jedoch, dass in Kürze auch auf dem Mentorat Planeten- und Weltentstehungs-kunde gelehrt wird
In Liebe