Mit einem ausgesprochen bunten, dabei aber keineswegs beliebigen Programm gastierte die Ausnahmepianistin Henriette Gärtner am 29. September in der Urspringer Klosterkirche. Den „ehrwürdigen“ Charakter des aus dem 17. Jahrhundert stammenden Gebäudes betonten Schulleiter Dr. Rainer Wetzler und Stiftungsratsvorsitzender Thomas Palm in ihren Begrüßungsreden. Palm, Präsident des Rotary Clubs Ulm-Donaubrücke, der den Konzertabend gemeinsam mit der Urspringschule und dem Rotary Club Ehingen-Alb veranstaltete, dankte der in Spaichingen lebenden Pianistin für ihre spontane Zusage zu dem Gastspiel. Dessen Erlös soll der Sanierung der Kirchenfenster zugutekommen.
In kurzen Erläuterungen führte Henriette Gärtner jeweils in die von ihr ausgewählten Werke ein. Die ersten beiden Stücke, ein Rondeau von François Couperin und eine Gavotte von Jean-Philipp Rameau, entführten das Publikum in die prachtvoll-höfische Welt des französischen Barock. Von Henriette Gärtner bewundernswert virtuos vorgetragen, erzeugte insbesondere Rameaus durch und durch weltliche Musik einen überaus spannenden Kontrast zur sakralen Räumlichkeit der Klosterkirche. Einen Höhepunkt stellte die anschließende Interpretation von Beethovens „Mondscheinsonate“ dar, diesem berühmten Vorläufer der musikalischen Romantik, in welcher der Maestro die unglückliche Liebe zu seiner damals 20-jährigen Klavierschülerin Gräfin Julie Guicciardi verarbeitete. Die Anwesenden konnten sich davon überzeugen, dass „Kritikerpapst“ Prof. Dr. Joachim Kaiser keineswegs übertrieben hatte, als er in einem Brief an die Pianistin deren Einspielung der Mondscheinsonate (auf ihrer CD „Luna“) als „nicht nur meisterhafte, sondern genial direkte Interpretation“ bezeichnete. Von dem klassischen Wegbereiter der Romantik war der Sprung nicht allzu weit zu einem ihrer berühmtesten Vertreter, dem russischen Komponisten Peter Iljitsch Tschaikowski, aus dessen „Jahreszeiten“ die Pianistin mit gleichermaßen leichter wie kraftvoller Hand fünf musikalische Perlen vortrug. Mit den von Henri Herz bearbeiteten Variationen über ein Thema aus Giachino Rossinis Oper La cenerentola („Aschenbrödel“) ließ Henriette Gärtner ihr Gastspiel in der Urspringer Klosterkirche betont festlich ausklingen.
Trotz der problematischen Akustik der Kirche war Henriette Gärtnders Spiel von wunderbarer Transparenz, ohne jede Effekthascherei, die Kantilenen sauber herausgearbeitet, das Farbenspiel klar und virtuos. Das Publikum dankte es ihr mit entsprechendem Applaus und wurde dafür mit einer ganz besonderen Zugabe belohnt: der Klavierbearbeitung eines ursprünglich für Gitarre geschriebenen Stückes des spanischen Komponisten Francisco Tarrega: Recuerdos de la Alhambra. Bereits bei der Vorstellung des Komponisten, Pianisten und Klavierbauers Henri Herz war Henriette Gärtner auf ihr Bedürfnis zu sprechen gekommen, sowohl unbekannte Komponisten als auch unbekannte Werke von bekannten Komponisten ans Tageslicht zu bringen. In der gekonnten und einfühlsamen Interpretation von Tarregas nur vier Minuten langem Werk zeigte sich nochmals die große Meisterschaft und Wandlungsfähigkeit dieser Ausnahmepianistin, verlangt doch die Interpretation eines für Gitarre geschriebene Stückes von einem Pianisten einen ganz anderen Anschlag. Henriette Gärtner gelang auch dies mit scheinbar traumwandlerischer Sicherheit.